08.12.01
/ Bildung und Ehestabilität
Der Berner Soziologieprofessor Andreas
Diekmann und Kurt Schmidheiny vom Berner Volkswirtschaftlichen Institut
haben sich in ihrer Untersuchung von zwei Forschungsfragen leiten
lassen: Hat die schulische Bildung von Frauen und Männern einen
Einfluss auf die Ehestabilität? In welchem Ausmass verringert
die Bildungshomogamie (d.h. die Gleichheit des Bildungsniveaus) der
Ehepartner die Stabilität der Ehe?
Die Antworten auf diese Fragen haben sie in der aktuellen Schweizerischen
Zeitschrift für Soziologie (2001, Jg.27, H.2, 241-254) unter
dem Titel "Bildung und Ehestabilität: Eine Untersuchung
schweizerischer Familienbiographien mit den Methoden der Ereignisanalyse"
veröffentlicht.
Die
Unterstützung stützt sich auf den Schweizerischen Umweltsurvey
von 1994, der ausführliche Angaben zur Familiengeschichte der
Schweizer Stimmbevölkerung enthält. Aus dessen Zufallsstichprobe
konnten 1824 Erst-Ehen analysiert werden, wovon 13% bis zum Befragungszeitpunkt
geschieden wurden (vgl. S. 244).
Als
erstes Ergebnis zeigt sich, dass das Scheidungsrisiko in der Abfolge
der Heiratskohorten (d.h. der Heiratsjahrgänge) stark angestiegen
ist. Dieser Einfluss lässt sich nicht auf andere Faktoren wie
Bildung, Kinderlosigkeit oder Urbanisierung zurückführen.
Es existiert "ein 'eigenständiger' Kohorteneffekt"
(S.248).
Zudem hat sich ein Einfluss des Bildungsniveaus auf die Ehestabilität
herausgestellt (Niveaueffekt): "Ein Bildungsabschluss,
der über die Pflichtschule hinausgeht, wirkt sich positiv auf
die Stabilität der Ehe aus" (S. 250).
Darüber
hinaus hat auch die Ähnlichkeit des Schulabschlusses ein Effekt
gezeigt (Homogamieeffekt): "Bei Bildungshomogamie oder
näherungsweiser Übereinstimmung der Bildungsabschlüsse
der Ehepartner (...) ist das Scheidungsrisiko geringer" (ebd.).
Vor allem drei Bildungskombination fallen dabei durch ein signifikant
geringeres Scheidungsrisiko auf: "Wenn der Ehemann eine höhere
Schule (z.B. Technikum oder höhere Fachschule, MMK) und die Ehefrau
die Matura oder eine höhere Schule absolviert hat, verringert
sich das Scheidungsrisiko um 77% bzw. 48% (...). Hat der Ehemann einen
Universitätsabschluss und die Ehefrau einen höheren Schulabschluss,
ist das Risiko um 59% geringer" (ebd.).
Die
Autoren erwähnen weiter, dass mit dem Heiratsalter das
Risiko einer Scheidung abnimmt. "Wird in einer Ehe ein erstes
Kind geboren, ist das Scheidungsrisiko um mehr als zwei Drittel
geringer als in kinderlosen Ehen" (S. 251, Hervh. MMK). Erstaunlicherweise
erhöht das Bildungsniveau der Eltern der nachfolgenden Generation.
Erklärt wird dieser Zusammenhang damit, dass deren grössere
Ressourcen die Entscheidung bei einer unbefriedigenden Ehe erleichtern
(vgl. S. 252).
Nicht nur zwischen Sprachregionen, auch zwischen Katholiken und Protestanten
haben sich keine Unterschiede im Scheidungsrisiko feststellen lassen.
Die Hypothese, dass die Bildungsexpansion zu einer Erhöhung des
Scheidungsrisikos geführt, können die beiden Autoren damit
nicht bestätigen:
"Erstens führte die Bildungsexpansion zu einer Zunahme des
Heiratsalters (...), was einen positiven Einfluss auf die Ehestabilität
hat.
Zweitens sollte der Anstieg bei den höheren Bildungsabschlüssen
das Scheidungsrisiko vermindert haben.
Und drittens haben im Zuge der Angleichung gymnasialer Bildungschancen
von Frauen und Männern die Homogamiequoten für die oberen
Bildungsränge zugenommen. Auch dieser Effekt dürfte sich
positiv auf die Ehestabilität ausgewirkt haben.
Die Frage, ob die Bildungsexpansion zum Anstieg des Scheidungsrisikos
beigetragen hat, lässt sich demnach wohl verneinen"
(ebd., Hervh. MMK).
Die
Zeitschrift befindet sich in der Bibliothek der FHS in Rorschach.