Soziales ist aus Nicht-Sozialem und Sozialem zugleich zu erklären!
(nach Wolfgang Schluchter)

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Newsletter Socialia

 

04.11.02 / Modellprojekt mit alkoholabhängigen SozialhilfeempfängerInnen

Das Münchner Sozialamt hat im Rahmen eines Modellprojektes SozialhilfeempfängerInnen über einen Zeitraum von sechs Monaten aufgefordert, sich einer Alkoholentgiftung mit dreimonatiger ambulanter Entwöhnungstherapie und beruflicher Reintegration zu unterziehen. Einige Ergebnisse dieses Unterfangens werden nun von einem AutorInnen-Team um Michael Nowak in der Zeitschrift "Fortschritte der Neurologie Psychiatrie" (2002, 70, 429-437) unter dem Titel "Ambulante Alkoholismustherapie und berufliche Rehabilitation bei Sozialhilfeempfängern" vorgestellt.

Insgesamt wurden 250 Klienten von der Fachambulanz für Suchterkrankungen mit dem Hinweis der Mitwirkungspflicht schriftlich zu einem Erstgespräch eingeladen, zu dem schliesslich 96 Personen erschienen. Von 84 Abhängigen, 18 Frauen und 66 Männer, konnten soziodemographische Daten erhoben werden.

Im Durchschnitt waren die Befragten 45 Jahre alt. 40% waren beim Erstgespräch akut alkoholisiert. Die Alkoholabhängigkeit bestand im Mittel circa 17 Jahre, mit durchschnittlich hohen Trinkmengen von mehr als 230g Alkohol pro Tag. Die meisten Betroffenen hatten infolge der langen Alkoholabhängigkeit finanzielle und rechtliche Probleme, waren sozial isoliert und wiesen einen niedrigen beruflichen Status auf.

Knapp drei Viertel der Befragten zeigten sich wenig motiviert, überhaupt das Erstgespräch zu führen, noch weniger waren bereit, sich auf das Projekt einzulassen. Häufig kam es zu latenten, aber auch offenen aggressiven Verhaltensweisen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Sozialamtes und den untersuchenden ÄrztInnen.

26% der Abhängigen zeigten sich beim Erstkontakt bereit, am Programm teilzunehmen. Allerdings erwies sich ihre Behandlungsmotivation nur als durchschnittlich ausgeprägt. 16 Personen meldeten sich für eine stationäre und sechs für eine ambulante Entgiftung. Zum festgelegten Zeitpunkt erschienen jedoch nur neun Betroffene zum stationären und fünf zum ambulanten Entzug. Aufgrund der geringen Zahl wurde der Projektzeitraum verlängert, sodass schlussendlich 18 Personen stationär und drei Patienten ambulant mit Erfolg entgiftet werden konnten.

Davon begannen 19 Personen das Reintegrationsprogramm, welches aus einer viermonatigen ambulanten Alkoholentwöhnungstherapie und einer 15wöchigen begleitenden ambulanten beruflichen Qualifizierungsmassnahme bestand. Die Entwöhnungstherapie umfasste zwei gruppentherapeutische Gespräche (à 1,5 Std.) und ein halbstündiges Einzelgespräch pro Woche. Alkoholkontrollen waren verpflichtend. Die berufliche Reintegration fand täglich vormittags und nachmittags statt. Vermittlung von Grundkenntnissen im Umgang mit dem Computer, Aufbau von Freizeitaktivitäten und ein Fitnessprogramm standen im Mittelpunkt.

Während 19 Personen das Projekt begonnen hatten, schieden 13 Abhängige aus den unterschiedlichsten Gründen aus. Schlussendlich beendeten nur fünf Patienten, für die die Möglichkeit zur weiteren beruflichen Qualifikation bestand, die gesamte Entwöhnungsmassnahme. Drei davon waren bereit, sich weiter zu qualifizieren bzw. in ein zusätzliches berufliches Projekt einzutreten.

Die AutorInnen führen das nachdenklich stimmende Ergebnis zum Grossteil auf die schwierige KlientInnengruppe zurück. Ein ansprechenderes Angebot dieser Projekte sowie eine bessere Selektion von therapiemotivierten KlientInnen wird für den Erfolg zukünftiger Projekte dieser Art entscheidend sein.

 

 

 

 

Wer hat etwas Interessantes gelesen?
Wer kann Neues aus der Fachliteratur beisteuern?
Inputs sind sehr erwünscht!!