20.01.02
/ Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit
In
der neuesten Ausgabe des "Leviathan" (2001, Jg.29, H.4,
469-483) widmet sich Ruud Koopmans dem Thema: "Rechtsextremismus
und Fremdenfeindlichkeit in Deutschland: Probleme von heute - Diagnosen
von gestern".
Der Autor
verwendet Rechtsradikalismus "als Sammelbegriff, der Rechtsextremismus
im klassischen Sinne und Fremdenfeindlichkeit umfasst" (S. 472).
Ersterer zieht in der Öffentlichkeit v.a. den Protest und die
Empörung auf sich, wobei allerdings Aktionen mit rechtsextremistischer
Zielsetzung nur einen Bruchteil der rechtsradikalen Aktivitäten
ausmachen. Zudem handelt es sich dabei häufig um symbolische
Aktionen.
Dem steht
"eine viel grössere Anzahl gewaltförmiger Aktionen
mit fremdenfeindlichen Zielsetzungen gegenüber" (S. 473),
bei denen zudem seit Anfang der 90er Jahre Dutzende von Menschen getötet
und viele Hunderte verletzt wurden (vgl. ebd.).
Als Erklärungen
für den Rechtsradikalismus werden oft wirtschaftliche und soziale
Krisen aufgeführt. Deren Aussagekraft bezweifelt Koopmans mit
dem Hinweis, dass rechte Gewalttäter nicht häufiger erwerbslos
als ihre Altersgenossen sind und auch nicht überwiegend aus zerrütteten
Familien stammen. Rechtsextreme Gewalt sei zudem auch kein Grossstadtphänomen,
sondern finde sich vor allem in kleinstädtischen Milieus (vgl.
S. 475).
Auch
die These von der ethnischen Konkurrenz lasse sich nicht aufrechterhalten,
da "der Rechtsradikalismus nicht dort und dann am stärksten
ist, wo Güter wie Arbeitsplätze und Wohnungen am knappsten
sind" (ebd.).
Die häufigste
vorgeschlagene Antwort ist eine Verstärkung der Repression.
Diese sind aber gemäss dem Autor gescheitert, da sie die Ursachen
der Gewalt nicht beseitigt haben. Zudem zielen sie in ihrer Ausrichtung
auf den organisierten Rechtsextremismus auf die falsche Zielgruppe:
"Die diffuse fremdenfeindliche Jugendsubkultur, aus der der Löwenanteil
der Gewalt stammt, wird davon kaum beeinträchtigt" (S. 477).
Insofern
fremdenfeindliche Gewalt hauptsächlich eine Jugendphänomen
darstellt, versprechen bildungspolitische Massnahmen mehr Erfolg.
Diese hätte sich allerdings von der Fixierung auf den historischen
Nationalsozialismus zu lösen. Auch in der Verstärkung des
zivilgesellschaftlichen Engagements sieht der Autor eine vielversprechende
Strategie. Zusätzlich zu den medienwirksamen Aktivitäten
in den Grossstädten wäre aber eine Förderung des Engagements
in den Kleinstädten (vgl. 477f.).
"Langfristig
wirksame Bekämpfungsstrategien sollten anerkennen, dass der heutige
'Rechtsextremismus' primär ein Problem von Fremdenfeindlichkeit
ist. Zwischen der Entwicklung der fremdenfeindlichen Gewalt und der
Einwanderungsproblematik lässt sich ein deutlicher Zusammenhang
feststellen" (S. 478). Koopmans empfiehlt daher eine Korrektur
der Einwanderungs- und Integrationspolitik:
"Ein
'verfassungskonformer kultureller Pluralismus' in der Integrationspolitik
scheint mir für die Eindämmung von ethnischen Konflikten
am aussichtsreichsten zu sein. Dabei geht es einerseits um den Respekt
vor kulturellen Differenzen soweit sie keine rechtsstaatlichen Grundsätze
verletzen und um die Übertragung von kulturellen Rechten auf
neue Gruppen, etwa in Fragen des Religionsunterrichts. Andererseits
verlangt ein solches Integrationskonzept von Zuwanderern, dass sie
die liberalen Rechtsgrundsätze der demokratischen Gesellschaft
respektieren und einen Schritt auf die Mehrheitsgesellschaft zugehen.
An erster Stelle steht der Erwerb von Sprachkenntnissen, die eine
unabdingbare Voraussetzung für gesellschaftliche, politische
und wirtschaftliche Partizipation sind" (S. 481).