Soziales ist aus Nicht-Sozialem und Sozialem zugleich zu erklären!
(nach Wolfgang Schluchter)

 

 

 

 

 

 

 

 

 


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13.02. 04 / Wohlbefinden der Sandwichgeneration

»Das Interesse der Forschung an der Jugend ist gross. Erforscht wird mit der steigenden Lebenserwartung auch die zweite Lebenshälfte. Was sind aber die Charakteristika der Nachkriegsgeneration, die heute im mittleren Lebensalter steht und als zahlenmässig starke Altersgruppe zunehmend Gewicht erhält? Die SPP-Forschungsgruppe unter der Leitung von Prof. Pasqualina Perrig-Chiello befasst sich mit der in der Schweiz noch wenig erforschten Sandwichgeneration.

Das mittlere Lebensalter - die Forschung setzt dieses Alter zwischen 40 und 65 Jahren an - war bis Mitte des 20.Jahrhunderts ein wenig differenzierter Lebensabschnitt. Mit der höheren Lebenserwartung hat sich dieses Alter inzwischen zu einer eigenständigen Lebensphase entwickelt, die neue Ausdrucksformen und Handlungsmöglichkeiten bietet, aber auch neue Anforderungen und Probleme mit sich bringt.

„Personen im mittleren Lebensalter sind meist noch für ihre heranwachsenden Kinder verantwortlich, werden aber bereits mit dem Älterwerden und den damit verbundenen Behinderungen ihrer Eltern konfrontiert und geraten nicht selten in eine Sandwichposition“, erläutert Pasqualina Perrig-Chiello, Psychologieprofessorin an der Universität Bern, die Situation der heutigen 40- bis 65-Jährigen.

Diskrepanz zwischen Ist- und Wunschzustand

Der erste Teil des Projekts "Lebensperspektiven, Ressourcen und Wohlbefinden im mittleren und höheren Lebensalter" ist eine Weiterführung der 1998 durchgeführten Befragung von Personen im mittleren Lebensalter. Die Längsschnittstudie soll Aufschluss darüber geben, wie Männer und Frauen ihre Situation wahrnehmen und gestalten: Wie geht es ihnen gesundheitlich, psychisch und sozial? Wie erleben sie den Auszug der Kinder, die Wechseljahre, das Altern und den Tod der Eltern, das eigene Älterwerden? In welchen Rollen befinden sie sich? Wie sehen ihre Lebensperspektiven und ihre Beziehungen zu den Kindern und Eltern aus? Wie beschreiben sie ihr psychisches Wohlbefinden?

"Auffallend ist die Diskrepanz zwischen Ist- und Wunschzustand", sagt Pasqualina Perrig-Chiello. ´Die befragten Personen im mittleren Lebensalter würden gerne weniger arbeiten und sich weniger um Kinder und Eltern kümmern, dafür mehr Zeit für die Partnerschaft oder für sich selbst beanspruchen. Diese Situation verbessert sich mit zunehmendem Alter nicht, im Gegenteil: Autonomiestreben sowie familiäre und berufliche Verpflichtungen klaffen je länger je mehr auseinander. Am grössten ist die Diskrepanz bei alleinerziehenden Frauen und alleinstehenden Männern und Frauen.

Paradox des Wohlbefindens

In der Querschnittstudie, dem zweiten Projektteil, stehen das psychische Wohlbefinden, die Zufriedenheit mit der Wohnsituation, die subjektive Gesundheits- und Gedächtniseinschätzung, sportliche Aktivitäten und soziale Netzwerke von Personen im mittleren und höheren Lebensalter im Zentrum. Dafür wurden Daten, die in der ersten Phase des SPP Zukunft Schweiz erhoben wurden, mit Datensätzen der im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms 32 durchgeführten interdisziplinären Altersstudie verglichen.

"lnteressant ist, dass das Wohlbefinden weniger vom Alter abhängig ist als von den psychischen Ressourcen und vom jeweiligen Lebenskontext", sagt Pasqualina Perrig-Chiello. Zwar erfahrt das psychische Wohlbefinden sowie die Einschätzung der eigenen Lebenslage beim Übergang ins mittlere Lebensalter einen Einbruch. Beim Übergang ins höhere Lebensalter zeigen sich hingegen keine Einbrüche der psychischen Befindlichkeit, obwohl die Körperbeschwerden zunehmen. Die Forscherin spricht vom Paradox des Wohlbefindens: "Wir beobachten, dass sich das Wohlbefinden der befragten Personen mit zunehmendem Alter auf einem höheren Niveau stabilisiert, obwohl die objektive gesundheitliche und soziale Lage schlechter wird. Ältere Personen sind besser in der Lage, körperliche Beschwerden mit einer optimistischen Lebenseinstellung auszugleichen. Diese adaptiven Mechanismen gehören zur Überlebensstrategie von uns Menschen." Frauen - insbesondere die Gruppe der alleinerziehenden und alleinstehenden - weisen tiefere Befindlichkeitswerte auf als Männer. «

Quelle: Newsletter 7/2003 "Schwerpunktprogramm Zukunft Schweiz" des Schweizerischen Nationalfonds

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