13.02.
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/ Wohlbefinden der Sandwichgeneration
»Das
Interesse der Forschung an der Jugend ist gross. Erforscht wird mit
der steigenden Lebenserwartung auch die zweite Lebenshälfte. Was
sind aber die Charakteristika der Nachkriegsgeneration, die heute im
mittleren Lebensalter steht und als zahlenmässig starke Altersgruppe
zunehmend Gewicht erhält? Die SPP-Forschungsgruppe unter der Leitung
von Prof. Pasqualina Perrig-Chiello befasst sich mit der in der Schweiz
noch wenig erforschten Sandwichgeneration.
Das mittlere Lebensalter - die Forschung setzt dieses Alter zwischen
40 und 65 Jahren an - war bis Mitte des 20.Jahrhunderts ein wenig differenzierter
Lebensabschnitt. Mit der höheren Lebenserwartung hat sich dieses
Alter inzwischen zu einer eigenständigen Lebensphase entwickelt,
die neue Ausdrucksformen und Handlungsmöglichkeiten bietet, aber
auch neue Anforderungen und Probleme mit sich bringt.
„Personen im mittleren Lebensalter sind meist noch für ihre
heranwachsenden Kinder verantwortlich, werden aber bereits mit dem Älterwerden
und den damit verbundenen Behinderungen ihrer Eltern konfrontiert und
geraten nicht selten in eine Sandwichposition“, erläutert
Pasqualina Perrig-Chiello, Psychologieprofessorin an der Universität
Bern, die Situation der heutigen 40- bis 65-Jährigen.
Diskrepanz zwischen Ist- und Wunschzustand
Der erste Teil des Projekts "Lebensperspektiven, Ressourcen und
Wohlbefinden im mittleren und höheren Lebensalter" ist eine
Weiterführung der 1998 durchgeführten Befragung von Personen
im mittleren Lebensalter. Die Längsschnittstudie soll Aufschluss
darüber geben, wie Männer und Frauen ihre Situation wahrnehmen
und gestalten: Wie geht es ihnen gesundheitlich, psychisch und sozial?
Wie erleben sie den Auszug der Kinder, die Wechseljahre, das Altern
und den Tod der Eltern, das eigene Älterwerden? In welchen Rollen
befinden sie sich? Wie sehen ihre Lebensperspektiven und ihre Beziehungen
zu den Kindern und Eltern aus? Wie beschreiben sie ihr psychisches Wohlbefinden?
"Auffallend ist die Diskrepanz zwischen Ist- und Wunschzustand",
sagt Pasqualina Perrig-Chiello. ´Die befragten Personen im mittleren
Lebensalter würden gerne weniger arbeiten und sich weniger um Kinder
und Eltern kümmern, dafür mehr Zeit für die Partnerschaft
oder für sich selbst beanspruchen. Diese Situation verbessert sich
mit zunehmendem Alter nicht, im Gegenteil: Autonomiestreben sowie familiäre
und berufliche Verpflichtungen klaffen je länger je mehr auseinander.
Am grössten ist die Diskrepanz bei alleinerziehenden Frauen und
alleinstehenden Männern und Frauen.
Paradox des Wohlbefindens
In der Querschnittstudie, dem zweiten Projektteil, stehen das psychische
Wohlbefinden, die Zufriedenheit mit der Wohnsituation, die subjektive
Gesundheits- und Gedächtniseinschätzung, sportliche Aktivitäten
und soziale Netzwerke von Personen im mittleren und höheren Lebensalter
im Zentrum. Dafür wurden Daten, die in der ersten Phase des SPP
Zukunft Schweiz erhoben wurden, mit Datensätzen der im Rahmen des
Nationalen Forschungsprogramms 32 durchgeführten interdisziplinären
Altersstudie verglichen.
"lnteressant ist, dass das Wohlbefinden weniger vom Alter abhängig
ist als von den psychischen Ressourcen und vom jeweiligen Lebenskontext",
sagt Pasqualina Perrig-Chiello. Zwar erfahrt das psychische Wohlbefinden
sowie die Einschätzung der eigenen Lebenslage beim Übergang
ins mittlere Lebensalter einen Einbruch. Beim Übergang ins höhere
Lebensalter zeigen sich hingegen keine Einbrüche der psychischen
Befindlichkeit, obwohl die Körperbeschwerden zunehmen. Die Forscherin
spricht vom Paradox des Wohlbefindens: "Wir beobachten, dass sich
das Wohlbefinden der befragten Personen mit zunehmendem Alter auf einem
höheren Niveau stabilisiert, obwohl die objektive gesundheitliche
und soziale Lage schlechter wird. Ältere Personen sind besser in
der Lage, körperliche Beschwerden mit einer optimistischen Lebenseinstellung
auszugleichen. Diese adaptiven Mechanismen gehören zur Überlebensstrategie
von uns Menschen." Frauen - insbesondere die Gruppe der alleinerziehenden
und alleinstehenden - weisen tiefere Befindlichkeitswerte auf als Männer.
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Quelle: Newsletter
7/2003 "Schwerpunktprogramm Zukunft Schweiz" des Schweizerischen
Nationalfonds